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AUFBAU IM UNTERGANG – Teil VIII

Januar 29, 2020

Detlef Aberle
AUFBAU IM UNTERGANG

8. KAPITEL

Dreißig Jahre später arbeitete ich bereits seit über zehn Jahren in der argentinischen Niederlassung einer bekannten Schweizer pharmazeutischen Firma. Ich war zufrieden: Wieder einmal war ein "Stage" angekündigt, also ein Besuch von einigen Wochen bei der Zentrale in Basel. Solche Besuche liebte ich sehr. Sie waren nicht nur wichtig für das berufliche Fortkommen, sondern ich war wieder in Europa. Hier schien mir das Leben intensiver, immer erlebte man etwas.

Das war unser Spiel

Es gab zwei Orte, die mich in Basel besonders anzogen. Ich liebte den Bahnhof SBB.

Basel SBB im April 1960/ Quelle: SBB Historic

Basel SBB im April 1960/ Quelle: SBB Historic

Schon während meiner Jugend in Deutschland war ich, zusammen mit einem Freund, ein Eisen­bahnfanatiker gewesen. Stundenlang schrieben wir auf den Bahnsteigen des Hamburger Hauptbahnhofs die Nummern der Personenwagen in lange Verzeichnisse ein. Noch heute weiß ich, dass KKSBR "Kunze Knorre Schnellzugbremse" und ABC4ü „Erste, zweite, dritte Klasse, 4 Achsen, Harmonika-Übergang“ bedeutet. Das Spiel bestand darin, die angelegten Verzeich­nisse mit dem Fahrplan zu vergleichen, und den Wagenfahrplan herauszubekommen. Und schließlich wussten wir, an welchen Tagen, auf welchen Bahnhöfen, die einzelnen Wagen gewaschen oder überholt wurden. Das war unser Spiel.

Man war mitten in der Welt

Am Bahnhof SBB versuchte ich nicht, der Schweizer Bundes­bahn auf organisatorische Schliche zu kommen. Mir gefiel es einfach zu fühlen, dass man hier mitten in der Welt war. Man brauchte nur einzusteigen und schon fuhr man nach Rom, Paris, Berlin, Hamburg, Kopenhagen, Amsterdam. Dieses Gefühl, nicht am Ende der Welt, sondern "mitten drin" zu sein, gefiel mir sehr. Denselben Zweck erfüllte ein kleiner Kasten, der in meinem Hotelzimmer auf dem Nachttisch stand. Er enthielt einen kleinen Radioapparat, an das Telephon angeschlossen, sodass die tonliche Übertragung erstklassig war. Auch hier bestand das Wunder darin, dass ein Knopfdruck genügte und wieder war man mitten drin, hörte die Ansagen auf deutsch, französisch, italienisch, englisch, kurz, man war mitten in der Welt.

Eine Sendung nahm mich sofort gefangen

Eines Abends, vor dem Einschlafen, nach dem entsprechen­den Knopfdruck, nahm mich eine Sendung sofort gefangen. Ich hatte den Anfang versäumt und da ich das übertragene Stück nicht kannte, es schien eine Oper oder ein Singspiel zu sein, erfuhr ich erst am Ende, was mich so in seinen Bann gezogen hatte. Der Ansager, der sich mit "Hier der Norddeutsche Rundfunk" vorstellte, erklärte, dass man soeben aus dem Operettenhaus in Hamburg die Premiere des Musical "Anatevka" übertragen habe. Am nächsten Freitag Abend, nach der Arbeit, fuhr ich zum Flugplatz und flog nach Hamburg.

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