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AUTORIN

Zu meiner Person

Meine Leidenschaft ist es, Geschichten aus dem wahren Leben zu erzählen.

Seit 2000 bin ich Journalistin und seit 2003 arbeite ich als Reporterin beim NDR Fernsehen. Mich interessieren vor allem Geschichten über Menschen, die besonderes leisten, geleistet haben oder deren Leben steinig ist, die besondere Schicksale meistern müssen. Am Leben anderer interessieren mich Brüche und Dissonanzen und die Fähigkeit, damit umzugehen.

Corinna Below, fotografiert von © Patricia Batlle

Der Nationalsozialismus und seine Folgen

Eines meiner Schwerpunktthemen ist der Nationalsozialismus und die Folgen für seine Opfer. Mich interessieren aber auch die Geschichten der Täter und Täterinnen. Auch die sogenannte Geschichte nach der Geschichte, also die deutsche Nachkriegsgeschichte, finde ich hoch spannend, weil sie viel mit mir selbst zu tun hat. Immer wieder drehe ich darum Beiträge, die etwas mit dem Nationalsozialismus zu tun haben.

Erinnerung an die Opfer

Für ARD/ NDR habe den sogenannten Stutthof-Prozess in der Zeit vom 30. September 2021 bis zum 20. Dezember 2022 in Itzehoe beobachtet. Das war eine irre-spannende Zeit. Acht Überlebende wurden als Zeug:innen gehört. Sie berichteten von grauenvollen Lebensbedingungen im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig, von Willkür, Gewalt, Hunger, Krankheit, dem Tod ihrer Angehörigen, von Vergasungen und dem Geruch verbrannter Leichen, denn das Krematorium lief rund um die Uhr. Ein Historiker hat detailliert dargelegt, wie die Strukturen des Lagers waren. Dadurch wurde deutlich, inwiefern die ehemalige Stenotypistin Irmgard F. sich der Beihilfe an mehr als 10.000 Morden schuldig gemacht hat. Die Staatsanwältin plädierte dann auch auf schuldig und forderte zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung. Die heute 97 Jahre alte Angeklagte war im Tatzeitraum (Sommer 1943 bis Ende April 1945) 18 und 19 Jahre alt. In der Woche vor dem Urteil am 20. Dezember bin ich nach Wien gereist, um einen der Zeugen zu interviewen, den Holocaust-Überlebenden Josef Salomonovic. Das war eine sehr intensive und bewegende Begegnung. Der heute 84-Jährige hat als Kind acht Lager überlebt. Im KZ Stutthof ist sein Vater heimtückisch mit einer Benzol-Spritze ermordet worden. Aus diesem Interview sind vier Beiträge entstanden (u.a. für die ARD Tagesthemen).
Auch am Tag des Urteils habe ich berichtet. Irmgard F. wurde, wie erwartet, zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Manchen fällt es heute noch schwer, mit der Vergangenheit offen umzugehen

Ich berichte immer wieder auch über den Umgang von Gemeinden mit dem Gedenken an die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus. So hatte sich zuletzt die Gemeinde Mühbrook sehr schwergetan, eine Gedenktafel für zwei erschossene Gefangene eines Todesmarsches aufzustellen. Im September ist es der sogenannten Biografiengruppe dann letztlich doch gelungen. Die Tafel ist allerdings winzig. Daran sieht man: bis heute fällt es vielen sehr schwer, sich der Vergangenheit offen und ehrlich zustellen. Zur Enthüllung der Tafel sind einige Kinder von Menschen gekommen, die als Gefangene den Todesmarsch überlebt haben. Das war sehr bewegend! Von Geschichten wie dieser einer breiteren Öffentlichkeit zu erzählen und damit einigen Opfern des Nationalsozialismus Gesicht und Namen zu geben, sehe ich als meine Aufgabe.

Der Fall Dr. Franz Lucas

Ein anderes Mal berichtete ich über einen Frauenarzt aus Elmshorn, der bis in die späten 1980er Jahre praktiziert hat, obwohl er als SS-Mitglied in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern Arzt war. Er hatte dort an Sterilisationen teilgenommen und dan der Rampe selektiert. Ich war schockiert. War seine Vergangenheit in Elmshorn nicht bekannt? Wie kann es sein, dass Frauen zu ihm gegangen sind? Daraufhin habe ich wochenlang recherchiert. Heute zeigt das Stadtarchiv Schüler*innengruppen meine „NDR Zeitreise“, weil sie letztlich auch zeigt, dass es sich lohnt, in Archiven zu forschen und den Geschichten hinter den Geschichten auf den Grund zu gehen.

Der Fall Biberstein

2014 berichtete ich über einen SS-Mann, der Pastor in Kaltenkirchen war: Ernst Biberstein. Er war als SS-Mann an Erschießungen von Juden beteiligt. Dennoch hat sich die Kaltenkirchener Kirchengemeinde St. Michaelis extrem schwergetan, etwa einen Gedenkstein für die Opfer im Garten der Kirche aufzustellen, oder ähnliches. Es gab Menschen, die das forderten, andere, die sich quer stellten. Diesen Streit als TV-Reporterin zu thematisieren heißt, über die Nachwirkungen des Nationalsozialismus auf die heutige Gesellschaft zu erzählen.
Am Ende hat der Gemeinderat einer unauffälligen Tafel mit einem nicht ganz deutlich verfassten Text (der Name Biberstein wird nicht erwähnt) innerhalb der Kirche zugestimmt. Für manche ein Skandal, weil es einfach zu wenig sei. Für andere schon zu viel. Für mich eine wichtige Geschichte.

Der Fall Petersen

Es gibt da dieses Bild: „Burg zu Isenstein“. Es muss restauriert werden, weil es lange auf dem Dachboden des Elmshorner Rathauses gestanden hat. Nach der Entscheidung, den Maler Wilhelm Petersen NICHT zum Ehrenbürger zu machen, hat man es abgehängt. 1977 war das. Die Stimmen gegen Petersen und sein Wirken in der NS-Zeit wurden zu laut. Nebenbei bemerkt: vormaliger Besitzer dieses Bildes: Hermann Göring. Seit 1966 hatte die Bundesleihgabe im Sitzungssaal gehangen. Wilhelm Petersen war damals hoch angesehen, ein exzellenter Zeichner, deutschlandweit bekannt und beliebt für seine Mecki-Comics in der Hörzu. Auch Sammelbilder hat er gestaltet. Für die Kölln-Werke. Elmshorner ließen bei ihm ihre Kinder malen. Es gab den Flora-Brunnen, den er für die Stadt gestaltet hat. Davon ist heute nur noch die „Flora“ übrig, eine Galionsfigur, die an der Fassade der Volksbank hängt. Darunter eine Plakette mit der Aufschrift: „Künstler: Prof. Wilhelm Petersen“. Ein richtiger Professor war er nie. Den Titel hatte ihm Hitler verliehen. Bis heute ist die Plakette umkommentiert. Eine kritische Aufarbeitung seines Wirkens hat es bislang nicht gegeben. Dass das Bild belastet ist, hatte man bis 1977 nicht gesehen. Die Leiterin des Industriemuseums Bärbel Böhnke hat es restaurieren lassen, denn es ging als Leihgabe ans Kreismuseum Wewelsburg (NRW). Das Museum hat 2021 eine Ausstellung zu Wilhelm Petersen gezeigt. Hier wurde sehr deutlich: Wilhelm Petersen war ein begnadeter Zeichner. Er war aber auch Rassist und Antisemit durch und durch, Hitler-Günstling, Freund von Göring und Rosenberg, als Kriegszeichner NS-Propagandist, SS-Mann, Fast-Ehrenbürger 1977, später Mecki-Maler, niemals geläuterter Faschist und NPD-Mitglied bis zu seinem Tod 1987. Das Museum ist auch eine Gedenkstätte und auf Tätergeschichten spezialisiert und dafür weltweit anerkannt. Ich habe mich für eine NDR-Zeitreise aufgemacht, um Zeitzeug:innen zu treffen und Menschen, die helfen können, die Geschichte dieses Mannes, aber auch die Geschichte seiner Verehrung in der Nachkriegszeit zu erzählen.

Corinna Below

 

DAS PROJEKTREPORTAGEFILMOGRAFIE