März 1, 2020
Detlef Aberle
AUFBAU IM UNTERGANG
14. KAPITEL
Der Weg war nicht weit, nur etwa 10 Minuten.
Und da stand sie, wie sie immer gestanden hatte: TALMUD TORA SCHULE konnte man in großen Lettern lesen und nur ein kleines Schild verkündete, dass nun hier die Fachhochschule Hamburg, Fachbereich Bibliothekswesen, untergebracht sei.
Die Tafel mit den im ersten Weltkrieg gefallenen ehemaligen Lehrern und Schülern wurde erst wenige Monate nach meinem Besuch wieder von neuem eingeweiht, doch als ich klopfenden Herzens das Gebäude durch das große Hauptportal betrat, sah ich sofort eine große Gedenktafel meiner Lehrer und das gab mir das Gefühl, wieder mit ihnen vereint zu sein: ich war heimgekehrt.
Leise, fast auf Zehenspitzen, stieg ich die Haupttreppe bis zum ersten Stock empor und bog rechts ein. Da stand ich also vor meinem Klassenzimmer, aber ich klopfte nicht. Was hätte ich auch sagen sollen? Guten Tag, hier bin ich, dort in der zweiten Reihe habe ich gesessen? So ging ich leise die Treppe wieder hinunter.
Da klingelte es, beiden Schulen, der von heute und der von gestern. Schüler stürmten die Treppe hinunter und viele benutzten den großen Vorraum, um allein oder in kleinen Gruppen sich die Beine zu verstrecken. Während sie so dahin spazierten, öffneten sie Butterbrot-Pakete, lasen in einem Klassenheft, diskutierten eifrig über alles mögliche. Und dabei gingen sie im Kreise, immer um meine Lehrer herum.
Und das war es, was mich so tief beeindruckte. Diese Generation, die so vertraulich um meine Lehrer herum spazierte, sie hatte es gelernt, ach, sie musste es gelernt haben! Lieber Gott, lass sie die Botschaft meiner Lehrer hören, die heute noch in meinen Ohren klingt:
zurück zu Kapitel 13 vor zu Kapitel 15Kinder, ihr sollt nicht nur alle Menschen lieben, ohne Unterschied, nein, ihr sollt jeden Menschen für sich lieben, denn eines Tages werdet auch ihr ganz allein stehen vor Gott. So wie andere Menschen.
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