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AUFBAU IM UNTERGANG – Teil V

Januar 20, 2020

Detlef Aberle
AUFBAU IM UNTERGANG

5. KAPITEL

Die Schulzeit im Dritten Reich ist nun zu Ende, nicht aber diese Erzählung und das hat seinen guten Grund: Für den, der nicht klar zu unterscheiden weiß zwischen den erlebten Fakten und der ihnen zugrunde liegenden Stimmung, eben jenem Aufbau-im-Untergang-Gefühl, für den, der oftmals das selbst erfahrene mit dem Schicksal der Gemeinschaft verwechselt, können die Jahre der Erinnerung wichtiger werden als die Jahre des Geschehens. Da zeigt ja das hier besprochene Buch: Das in der Zeit des Aufbaus erlebte wirkt weiter während des ganzen Lebens.

Nach glorreichem Kampf wird Elsa Lohengrins Weib

Ich bin ein grosser Opernliebhaber und besonders gefallen mir die Opern Wagners. Mir scheint, dass die Oper Lohengrin ein Leitmotiv ausdrückt, das diesem Schulaufsatz zugrunde liegt. Heinrich, der Deutschen König, kommt nach Brabant, um dort Recht zu sprechen. Elsa von Brabant ist des Brudermordes angeklagt und so soll ein Gotteskampf abgehalten werden, denn schon die alten Germanen wussten: Wer Kraft hat, hat auch Recht. Dreimal ruft der Herald zum Streit, doch niemand ist bereit die Ehre Elsas zu verteidigen. Wir sehen die Gute warten, die aus akustischen Gründen einen gewaltigen Busen hat und, offen­gestanden, wir haben Verständnis dafür, dass niemand sein Leben für sie wagen will. Doch da, im letzten Moment kommt er herangefahren, der Retter, auf einem Schwan, einem zu jener Zeit üblichen Verkehrs­mittel. Nun zweifeln wir nicht mehr am glück­lichen Ausgang der Angelegenheit: Nach glorreichem Kampf wird Elsa Lohengrins Weib.

Aber so oft auch über die Textbücher Wagners Witze gerissen wurden, so müssen wir zugeben, dass die Psycho­analyse nicht nur von Freud, sondern auch von Wagner erfunden wurde. Niemand hat mit musikalischen Leitmotiven die tiefsten mensch­lichen Seelen­motive so meisterhaft ausgedrückt. Und als Lohen­grin Elsas Hand erbittet, als er ihr ewige Liebe und treuen Schutz verspricht, da muss sie ihm nur eins geloben: „Nie sollst du mich befragen“.

Befragt uns nicht über unsere Vergangenheit!

Nie sollst du mich befragen! Haben nicht zwei Genera­tionen Deutsche nach diesem Leitmotiv gelebt? Einsetzen wollen wir uns mit unserer ganzen Kraft für die Zukunft unseres Landes, unserer Kinder, nur, befragt uns nicht über unsere Vergangenheit! Der Richter, der sich abmüht Recht zu sprechen, sorgfältig jede Verpflich­tung und jedes Anrecht gegeneinander abwägt, sodass wir sicher sein können in einem Rechtsstaat zu leben, hätte es viel Sinn ihn an die ersten Jahre seiner Laufbahn zu erinnern? Nie sollt ihr ihn befragen! Der Arzt, der heute noch des Nachts unverdrossen aufsteht, obwohl es ihm schon recht schwer fällt, der sich dem Eid des Hippokrates total verpflichtet fühlt, wozu in den Tiefen seiner Seele wühlen, an Zeiten erinnern die ihn nur unsicher machen?

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